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06.03.2021 / cso PC-Ansicht
Lost Grounds:
Folge 23: Stadion Lindenbruch (Sportfreunde Katernberg)
Für unseren Freund bhakundo in Montabaur.

"Helmut Rahn sein Zaun hatte bestimmt eine ganz andere Qualität." Uhltra jr war doch sehr überrascht, wie leicht es ihm gemacht wurde, in das seit mehr als zwei Jahren geschlossene Stadion Lindenbruch zu gelangen. 1951 hatte man sich noch deutlich mehr Mühe gegeben: Die 7.000DM, die Rot-Weiss Essen den Sportfreunden Katernberg für den Boss überwiesen hatte, investierte der Club nämlich umgehend in eine Holzbarriere. Helmut Rahn berichtet in seinem Buch Mein Hobby: Tore schießen: "Von einer offiziellen Ablösesumme war [...] damals nicht die Rede. Aber der Platz der Katernberger, der bisher nicht eingezäunt war, hatte kurz nach der Verhandlung einen schönen hohen Bretterzaun. Nun konnte nur noch zuschauen, wer Eintritt zahlte." Zu sehen gab es damals erstklassigen Fußballsport, denn SFK kickte mit den Großen seiner Zunft in der Oberliga West.

1913 hatten Bergleute die Fußballabteilung des TV 1887 Katernberg gegründet. Elf Jahre später machten sich die Freunde des runden Leders im Rahmen der reinlichen Scheidung von Turnen und Sport selbständig. 1925 fusionierte diese Abteilung mit BV 1916 Katernberg, um durch Synergie der Erfolglosigkeit ein Ende zu bereiten. Man gab sich nun den Namen, der Mitte des 20. Jahrhunderts einen gewissen Klang entfalten sollte: Sportfreunde Katernberg. Das anfängliche Schwarz-Weiß wurde als Vereinsfarbe 1938 zugunsten des Grün-Weiß abgelegt. Mitten im II. Weltkrieg gewann der formal bürgerliche und daher nicht verbotene SFK zunächst den Niederrheinpokal, bevor man sich ein Jahr später für die Gauliga qualifizierte. Katernberg profitierte in dieser Zeit erheblich davon, dass die Gelsenkirchener Bergwerks AG die Unabkömmlichkeit von Spielern attestierte. Die Saison 1944 endete jedoch schon nach einer einzigen Partie, weil kaum eine andere Mannschaft solche Privilegien genoss. Trotz Bombardierung kamen in dieser Zeit bis zu 5.000 Zuschauer ins Stadion.

Als das Fußballspielen in Deutschland wieder möglich war, knüpften die Sportfreunde nahtlos an ihren Aufwärtstrend an. Sie hatten dabei das Glück, dass ihre Platzanlage kaum beschädigt und die Sportausrüstung in einem Stollen der Zeche Zollverein versteckt worden war. 1947 war der Club wieder erstklassig und holte sich in der Oberliga West auf Anhieb den Vizemeistertitel hinter Borussia Dortmund. Dies bedeutete die Teilnahme an der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft, in der man in der Glückauf-Kampfbahn auf Schalke mit einem 1:2 gegen Eintracht Braunschweig ausschied.

Eng verbunden mit dieser Erfolgsgeschichte ist das Stadion Lindenbruch, das ab dem 06.09.1931 auf einer von den Vereinigten Stahlwerken bereitgestellten Fläche errichtet wurde und die alte Anlage Am Abzweig ersetzte. In Zeitzeugenberichten ist stets von einer engen, hitzigen, bisweilen gar feindseligen Atmosphäre zu lesen. Alleine der Umstand, dass hier an der Bahnstrecke Altenessen-Gelsenkirchen auf Asche gespielt wurde, wird manchem Gegner den Tag verdorben haben. 1948 entfiel zumindest dieser Heimvorteil, denn die Regularien verlangten einen Rasenplatz. Ein Ausweichen - das mit fast 30.000 Fans bis heute bestbesuchte Spiel von SFK gegen den VfB Stuttgart hatte man soeben an der Bäuminghausstraße in Altenessen ausgetragen - kam nicht infrage, und so nahm der Verein viel Geld in die Hand. In dem auf 25.000 Zuschauer ausgebauten Stadion Lindenbruch taten sich die Sportfreunde Katernberg jedoch plötzlich schwer. Als Tabellenletzter bekam man noch die Chance einer Extrarunde, aber auch hier gab es für SFK nichts mehr zu gewinnen.

Bereits ein Jahr später kehrte Katernberg zurück in die Oberliga West, und zwar mit einer Neuerwerbung namens Helmut Rahn. Auch Torwart Heinz Kubsch sollte später an der siegreichen Weltmeisterschaft in der Schweiz teilnehmen. In diese Zeit der frühen 50er Jahre fällt auch der Zuschauerrekord am Lindenbruch: 23.000 Menschen wollten das Lokalderby gegen Rot-Weiss Essen verfolgen. Am 28.03.1953 - die Mutter des Autors feierte ihren ersten Geburtstag - kam es zu der kuriosen Situation, dass in Essen zeitgleich zwei Erstligaspiele stattfanden: RWE empfing den FC Schalke 04, SFK Borussia Dortmund. Das Duell um die Zuschauergunst gewann Rot-Weiss, dessen Stadion von über 40.000 Zuschauern gestürmt wurde; an den Lindenbruch pilgerten immerhin 12.000 Fans.

Im gleichen Jahr begann der schnelle Niedergang der Sportfreunde. Verantwortlich gemacht wurde für den Schuldenberg das Lizenzspielertum: "Der bezahlte Fußball hatte dem Verein kein Glück gebracht." (SFK-Festschrift von 1978) Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass Katernberg zuvor lange von ökonomischen Umständen profitiert hatte: Den Unabkömmlichkeitserklärungen im Krieg schloss sich im Wiederaufbau eine üppige Versorgung der Spieler in Naturalien an, die für manch späten Sieg verantwortlich gemacht werden kann. Erst Anfang der 1960er Jahre war SFK wieder schuldenfrei und holte in der Folge zweimal den Essener Stadtpokal.

1979 gab es erste Überlegungen, das Stadion Lindenbruch, in das bei besonderen Ligaspielen immer noch mehr als 1.000 Zuschauer kamen, zugunsten einer Bezirkssportanlage aufzugeben. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand von SFK, das sich ganz langsam wieder berappelte und 1989 bis 1991 zwei Spielzeiten in der damals drittklassigen Oberliga Nordrhein antrat - mit einer zusammengekauften Mannschaft ohne einen einzigen Katernberger. Da im Stadion Lindenbruch der Rasen längst wieder entfernt und Asche ausgebracht worden war, musste SFK in der zweiten Saison in Stadion Am Hallo ausweichen. Der anschließende erneute Fall war tief und führte bis in die Kreisliga B. 2015 erklärte sich der Verein einverstanden, zur DJK Katernberg 19 an die Meerbruchstraße überzusiedeln. Zwei Jahre später traten die ausgezehrten Sportfreunde Katernberg dem einstigen Lokalrivalen bei.

Das zwischenzeitlich auch von SFK-Jugoslavia und Fatihspor Essen genutzte Stadion Lindenbruch wurde am 26.05.2018 mit einem großen Festtag mit Kleinfeldturnier geschlossen. Seitdem machen sich auf diesem geschichtsträchtigen Grund Verfall und Vandalismus breit, die traurig stimmen. Der Schreiber dieser Zeilen ist froh, zuvor noch rechtzeitig ein Spiel im Stadion Lindenbruch gesehen zu haben (Link zum Bericht und den Fotos).

Der Schreiber dieser Zeilen dankt seinem Freund Georg Schrepper für die Bereitstellung seiner I. Staatsarbeit Fußball unterm Förderturm. Sportfreunde Katernberg 1913 e.V. und die Zeche Zollverein, Essen 1990 samt einiger historischer Aufnahmen.



Das Stadion Lindenbruch in seiner verbliebenen Pracht.
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Fotos: cso (1-8), Bildarchiv Schrepper (9+10)
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